Auf die Geburts­tage von Antje freue ich mich immer ganz beson­ders. Meist sind wir zehn Mädels, die Lust auf einen unbe­schwerten Abend haben und etwas Neues auspro­bieren wollen. Zum Beispiel eine Kakao-Zere­monie oder ein Räucher­ri­tual. Am Ende der letzten gemüt­li­chen Runde machten wir uns Gedanken, was wir schon immer mal erleben wollten. Noch leicht bene­belt von den getrock­neten Flie­gen­pilzen, die wir geräu­chert hatten, warf Antje die Idee in den Raum, dass wir gemeinsam eine Schwitz­hütte bauen könnten. Die Idee stiess auf Zustim­mung, wenn nicht gar auf Begeisterung.

Immer, wenn wir uns in den folgenden Monaten sahen, kamen wir auf die Schwitz­hütte zu spre­chen. Dummer­weise hatte keine in unserem Freun­des­kreis auch nur die geringste Erfah­rung damit. Und niemand konnte sich vorstellen, wie das in Antjes Garten gehen sollte. Auch wenn dieser für Schweizer Verhält­nisse riesig ist. Und die verschie­denen «Bauan­lei­tungen» im Internet brachten uns auch nicht weiter. So wurde das Projekt «Schwitz­hütte» klamm­heim­lich aus dem Geburts­tags­pro­gramm gestri­chen und durch eine weitere Räucher-Runde meiner­seits ersetzt. Ich war leicht frustriert. Denn auch ich wollte endlich einmal eine Schwitz­hütte erleben.

Das Schicksal hatte Erbarmen und schickte Manuela in mein Leben. Sie hatte die span­nende Idee, während der Advents­zeit an jedem Tag etwas Neues auszu­pro­bieren, das sie nie zuvor in ihrem Leben gemacht hatte. So kam sie zu mir ins Rock’n’Bow nach Eglisau zum «Bogen­schiessen für Frauen». Ich fand die Idee gross­artig. Und bewun­derte Manuela für ihren Mut. Wir verstanden uns vom ersten Moment an wunderbar und nach drei kurz­wei­ligen, span­nenden und abwechs­lungs­rei­chen Stunden hatte ich das Bedürfnis, unbe­dingt auch die Arbeit von Manuela näher kennen­zu­lernen. Und so meldete ich mich für eine von Manuela orga­ni­sierte Schwitz­hütte an.

Das kostete mich Über­win­dung. Denn es kam mir ein biss­chen wie ein Verrat an Antje vor. Viel­leicht würde es ja dieses Jahr klappen mit der Schwitz­hütte …? Am Ende über­wogen meine Neugier und meine Unge­duld: Ich wollte endlich wissen, was es mit diesen sagen­um­wo­benen Schwitz­hütten auf sich hat. Und das möglichst bald.

Ich habe schon an verschie­denen Initia­tionen, Ritualen und Zere­mo­nien teil­ge­nommen. Die eindrück­lichste mitten im Regen­wald. Über eine Flug­stunde von jeder Zivi­li­sa­tion entfernt. So stellte ich mir auch die Schwitz­hütte vor: fernab von jeder Zivi­li­sa­tion. Irgendwo mitten im Wald. Aus diesem Grund war ich fast ein biss­chen enttäuscht, als ich die Schwitz­hütte bereits vom Park­platz aus erblicken konnte: «So nah war das?». Ich war doch gerade erst von der Haupt­strasse abgebogen?

Das war es dann aber auch schon mit den «Enttäu­schungen» für diesen Tag. In den folgenden Stunden reihte sich Glücks­hormon an Glücks­hormon. Am Schwitz­hüt­ten­platz fühlte ich mich sofort wohl: Manuela und Silvia hatten alles so liebe­voll ein- und herge­richtet, dass mir auf der Stelle das Herz aufging.

Gleich­zeitig fiel es mir wie Schuppen von den Augen: so eine Schwitz­hütte ist eine gewal­tige Mate­ri­al­schlacht! Wie waren wir bloss auf die verrückte Idee gekommen, dass wir das selber hinbe­kommen könnten, meine Mädels und ich? Allein schon das Aufwärmen der Steine im riesigen Feuer ist eine Kunst. Und dann erst der Trans­port der Steine zum Hütten­ein­gang. Ich ziehe noch heute den Hut vor Silvia und der Wahn­sinns-Arbeit, die sie an diesem Tag voll­brachte. Mehr als 130 Steine wollte Manuela im Laufe der Zere­monie im Inneren der Hütte haben. Und Silvia schob Stein um Stein durch die Türe. Ohne sich oder andere zu verletzen.

Die Schwitz­hütte war kleiner, als ich sie mir im Vorfeld vorge­stellt hatte. Aber das war kein Problem: Wir waren acht Personen und hatten mehr als genug Platz. Auch Antje reagierte auf meine begei­sterte WhatsApp-Nach­richt mit einem ängst­li­chen «So klein?». Ihr ist immer unwohl in engen Räumen. Und war wohl froh, dass sie an diesem Tag nicht dabei sein musste. Bei mir verhielt es sich genau umge­kehrt. Ich war unend­lich froh, dass ich an diesem Tag dabei sein durfte.

Die Begrüs­sung war herz­lich und die Vorbe­rei­tung stimmig. Es lag ein beson­derer Zauber in der Luft. Alles fühlte sich natür­lich und richtig an. Nach dem Abräu­chern kroch ich in die Hütte, suchte mir ein Plätz­chen und machte es mir bequem. Als Silvia die Decke vor den Eingang zog und es auf einen Schlag stock­dunkel wurde, musste ich für einen kurzen Moment langsam und tief einatmen. Danach war ich ange­kommen und fühlte mich in der Hütte wohl.

Nach wenigen Minuten liess Manuela verschie­dene Musik­in­stru­mente kursieren. Ich entschied mich für eine kleine Trommel und legte sie neben mich. Ich sollte sie später noch ein paar Mal brau­chen. Manuela goss zum ersten Mal Wasser über die Steine und der Duft ihrer Kräuter stieg in meine Nase. Als eifrige Sauna­gän­gerin hatte ich keine Probleme mit der Hitze. Im Gegen­teil. Ich genoss die Schweiss­perlen auf meiner Haut.

Manchmal waren mir die Inputs von Manuela fast ein biss­chen zu viel. Ich hing noch dem einen Gedanken nach, da kam schon eine nächste Frage. Aber wahr­schein­lich war genau das die Absicht der «Scha­manin vom Reppischtal». Wir sollten mit unseren Gedanken in der Schwitz­hütte bleiben und nicht abdriften. Trotzdem werde ich mich beim näch­sten Mal für eine Schweige-Schwitz­hütte anmelden. In meinem Kopf ist es schon laut genug. Da freue ich mich immer, wenn es um mich herum ab und zu etwas leiser ist. Das ist auch der Grund, weshalb ich Zen prak­ti­ziere und jeden Morgen und jeden Abend für 20 Minuten auf meinem Kissen sitze.

Die Zeit in der Schwitz­hütte verging wie im Flug. Ich hatte das Gefühl, keine 20 Minuten in der Dunkel­heit zu sitzen, als es auch schon wieder ins Freie ging. Dabei waren es mehr als 2 Stunden! Obwohl ich mir fest vorge­nommen hatte, im Anschluss in die Reppisch zu steigen, liess ich es bleiben. Es war mir am Ende doch zu dunkel und zu kalt. Ich schlüpfte in meine Kleider und genoss im Schein des Feuers die selbst­ge­machten Köst­lich­keiten von Silvia. Bei der Abschluss­runde liess ich das Erlebte noch­mals Revue passieren: Es war ein wunder­schönes Erlebnis und mit Sicher­heit nicht meine letzte Schwitzhütte!

Ich habe Antje geschrieben, dass sie das mit der Schwitz­hütte an ihrem Geburtstag besser bleiben lassen soll. Der Aufwand ist schlicht zu gross. Und dann braucht es eine erfah­rene Leiterin, welche die Gruppe durch den Abend und den Prozess begleitet. Ich habe Antje einge­laden, statt­dessen an einer Schwitz­hütte mit Manuela teil­zu­nehmen. Oder ‑wenn das Datum nicht passt- gemeinsam mit Manuela eine «private Schwitz­hütte» für uns Mädels auf die Beine zu stellen. Ich bin gespannt, ob sie meine Einla­dung annehmen wird. Ich werde auf jeden Fall wieder­kommen! Denn es war schlichtweg genial. Vielen Dank, Manuela und Silvia!

Sylke Zwicker

Der Bogenweg